Über Geld reden – antike Autoren zu römischen Münzbildern
In römischer Zeit haben die Menschen, wie wir heute auch, über Geld geredet. Gut für uns heute ist, dass antike Autoren auch manchmal über Geld geschrieben haben. Oft gehen sie dabei auf Preise oder Werte ein, Beschreibungen dessen, was auf den Münzen zu sehen war, sind im Verhältnis dazu aber recht selten. Eine prominente Stelle findet sich ausgerechnet in der Bibel (Markus 12,13-17; Matthäus 22,15-22; Lukas 20, 20-26). Auf die Frage, ob man dem Kaiser Steuern zahlen dürfe lässt sich Jesus einen Denar zeigen und fragt „Wessen Bild und Aufschrift sind darauf?“ Auf die Antwort, es seien Bildnis und Aufschrift des Kaisers, gibt er dann die steuertechnisch noch langfristig bedeutsame Auskunft „Dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ Für die biblische Geschichte spielt es dabei aber keine Rolle, welcher Kaiser mit welcher Inschrift abgebildet war, entsprechende Angaben waren daher überflüssig.
Überlieferungen zu den Abbildungen auf Münzen finden sich bei dem römischen Politiker und Historiker Cassius Dio (geboren um 163 n. Chr., gestorben nach 229). Eine davon bezieht sich auf Julius Caesar, dessen Ehrentitel „Vater des Vaterlandes“ demnach auf Münzen geprägt werden durfte (Dio 44,4,4). Caesar hatte als erster Römer vom Senat die Erlaubnis erhalten, sein Portrait schon zu Lebzeiten auf Münzen anbringen zu lassen. Bereits kurze Zeit später, an den Iden des März (15. März 44 v. Chr.) wurde er dann aus politischen Gründen ermordet. Einer der Vorwürfe, die in der antiken Literatur erhoben werden, lautet, dass Caesar die Republik abschaffen und sich selbst zum römischen König machen wollte. Marcus Junius Brutus, einer der Attentäter, ließ für seine Soldzahlungen während der folgenden Bürgerkriege Prägungen mit propagandistischer Aussage herstellen, die Cassius Dio sehr gut beschreibt (Dio 47,25,3, zitiert nach Veh): „ … Brutus (ließ) auch Münzen schlagen mit seinem Bild, der Freiheitsmütze und zwei Dolchen; dadurch und mit der Inschrift wollte er deutlich machen, dass er gemeinsam mit Cassius (gemeint ist der Mitverschwörer Gaius Cassius Longinus) dem Vaterland die Freiheit verschafft habe.“ Die entsprechende Münze (Abb. 1) zeigt genau das, was Cassius Dio überliefert hat. Auf der Vorderseite (Avers) ist Brutus im Profil dargestellt. Die Beschriftung EID MAR auf der Rückseite (Revers) bezieht sich auf das Datum an den Iden des März, die Mütze (die Sklaven anlässlich ihrer Freilassung trugen) und die Dolche auf die propagierte gewaltsame Befreiung der Republik von der Alleinherrschaft Caesars.
Später, in der römischen Kaiserzeit, sind politische Ereignisse, aber auch andere Themen, vielfach auf Münzen abgebildet worden. Manchmal, wie bei der vorgestellten Prägung des Brutus, sind die entsprechenden Ereignisse in der antiken Literatur gut bezeugt. In anderen Fällen sind die Münzen die einzige Quelle, die auf entsprechende Ereignisse hinweisen. Es ist dabei durchaus möglich, dass das Geld als Mittel der staatlichen Propaganda die Fakten beschönigt. So ließ der Kaiser Gallienus, der kurz nach der Mitte des 3. Jahrhunderts zu Grenzsicherung an den Rhein kam, sich auf einem Geldstück als größten Germanensieger feiern, der die Feinde schon zum fünften Mal bezwungen habe (Abb. 2). Allein diese Zahl zeigt schon, dass die angeblich bedeutenden militärischen Erfolge doch nicht nachhaltig gewesen waren. Der Aussagewert der Münzabbildungen ist also stets auch aus dem Zusammenhang zu bewerten. Manchmal kehren sich die Vorzeichen der jeweiligen Aussagen aber auch um. Die so genannte Historia Augusta, ein in Teilen als relativ unzuverlässig geltendes Geschichtswerk aus der Spätantike, überliefert für die Regentschaft des Kaisers Probus (regierte von 276 bis 282) den Umsturzversuch eines Proculus, der als Usurpator (Gegenkaiser, vgl. etwa Historia Augusta quat. tyr. 12,1-13,6) eine kurze Zeit regieren konnte. In der althistorischen Forschung wurde lange gezweifelt, ob es diesen Proculus überhaupt gegeben hat. Es sind aber inzwischen wenige (übrigens in der Historia Augusta nicht erwähnte) Münzen des Usurpators bekannt geworden, die zeigen, dass er wirklich existiert hat.
Es konnte sehr ungesund sein, den aktuell regierenden Kaiser zu kritisieren, wie unten an einem Beispiel gezeigt wird. Bei verstorbenen Herrschern war das anders. Die um 120 n. Chr. verfassten Kaiserbiografien des Schriftstellers Sueton, die Lebensbeschreibungen von Julius Caesar bis Domitian (ermordet im Jahr 96) enthalten, müssen daher keine Rücksicht auf die Empfindlichkeiten der genannten Personen nehmen. Die Nero-Biografie überliefert zahlreiche wenig schmeichelhafte Anekdoten. Dazu gehören auch solche, die sich mit dessen Ambitionen als Sänger und Wettkämpfer bei Wagenrennen auseinandersetzen. So schreibt Sueton (Nero 25,2, zitiert nach Till): „Die heiligen Siegeskränze legte er rings um sein Lager nieder, ebenso errichtete er Statuen, welche ihn als Kitharöden (Sänger, der sich selbst auf der Kithara begleitet, Anm. Verf.) darstellten. In dieser Tracht ließ er sich auch auf Münzen prägen.“ Neronische Münzen mit einem Kitharaspieler auf der Rückseite sind bekannt (Abb. 3). Die moderne Forschung hat diese Gepräge in ihrer ursprünglichen Bedeutung allerdings nicht als Darstellungen des Kaisers interpretiert. So geht etwa der britische Numismatiker Christopher Howgego davon aus (Howgego, Geld S. 91), dass weder die Inschrift der Münze noch deren Bildelemente auf eine Darstellung des Herrschers weisen. Gemeint ist vielmehr Apollo Citaharoedes, also der musizierende Gott Apollo, dessen Instrument die Kithara ist. Wenn Sueton etwas Anderes überliefert, lässt sich dies unterschiedlich deuten. Nero hat sich selbst als neuer Apollo verehren lassen (vgl. etwa Champlin, Nero S. 117). Es ist daher einerseits nicht auszuschließen, dass Sueton das Münzbild missverstanden hat oder schlicht nicht nach den Analysemethoden der modernen Numismatik vorgegangen ist.
Andererseits bietet Neros Kitharaspiel im Werk Suetons dem Verfasser ohnehin immer wieder Ansatzpunkte der Herrscherkritik. Der Kaiser ließ sich musikalisch ausbilden, trat öffentlich auf, in Wettkämpfen heimste er trotz seiner vorgeblich schwachen Stimme reihenweise Siege dafür ein und ließ sich angeblich sogar für Auftritte bezahlen (Sueton, Nero 20; 22). Er soll sogar mit dem Gedanken gespielt haben, im Fall seiner Absetzung von seiner Kunst zu leben (Sueton, Nero 40). Sueton stellt mehrfach in satirischer Weise die Eitelkeit und Empfindlichkeit des Kaisers als Musiker heraus: „Während [Nero] sang, durfte niemand, auch nicht aus zwingenden Gründen, das Theater verlassen. So wären, wie man sich erzählt, manche Frauen während der Vorstellungen niedergekommen, und viele Männer, die es satthatten, ihn hören und bewundern zu müssen, wären, da die Tore verschlossen waren, heimlich von der Mauer gesprungen oder sie hätten sich totgestellt, um so als Leichen aus dem Theater herausgetragen zu werden.“ (Sueton, Nero 23, zitiert nach Till). Im Rahmen einer Staatskrise, beim Aufstand des Vindex in Gallien, soll Nero besonders empört darüber gewesen sein, dass dieser Vindex ihn einen schlechten Kitharöden genannt habe (Sueton, Nero 41). Politisch am Ende und auf der Flucht beging Nero Selbstmord, kurz vorher „brach er wieder und wieder in die Worte aus ‚Welch ein Virtuose stirbt mit mir!‘“ (Sueton, Nero 49).
Selbst in seiner zusammenfassenden Charakterisierung stellt Sueton Neros Sucht nach Anerkennung durch das Publikum noch einmal heraus. Mit seinem Geltungsbedürfnis, so der antike Autor (Sueton, Nero 53), sah er sich selbst sogar auf einer Stufe mit den Göttern: „Ebenso hatte er sich vorgenommen, da man bereits über ihn sagte, er erreiche im Gesang Apollo, im Wagenlenken den Sonnengott, auch noch die Taten des Herkules nachzuahmen.“ Im Rahmen von Suetons Nero-Biografie gehört es zu den durchgehenden Motiven, den Kaiser negativ als Kitharöden zu charakterisieren. Die oben zitierte Beschreibung der Münze Neros kann in diesem Zusammenhang sogar versuchsweise als absichtlicher, satirischer Seitenhieb auf den Hang des Herrschers zur Selbstdarstellung gedeutet werden, die diese Charaktereigenschaft mit heraushebt.
Der spätantike Kirchenvater Eusebius beschreibt in seiner Biographie des Kaisers Konstantin mehrfach Münzen des verstorbenen, von ihm sehr geschätzten Herrschers. Er erwähnt, dass er seine Mutter Helena auf Goldmünzen darstellen ließ (Eusebius, Vita Constantini 3,47,2). Eine andere Schilderung bezieht sich auf ein Bild des Kaisers selbst (Eusebius, Vita Constantini 4,15,1-2, zitiert nach Schneider): „Eine wie große Kraft des Glaubens aber in seiner Seele verwurzelt war, das kann man auch aus Folgendem ersehen: Auf Goldmünzen ließ er sein eigenes Porträt in der Weise einprägen, dass er den Eindruck machte nach oben zu blicken in der Art eines Mannes, der mit ausgebreiten Armen zu Gott betet. Solche Prägungen waren in der gesamten Welt der Römer im Umlauf. In einigen Städten wurde er in den kaiserlichen Gebäuden selbst auf der Vorderseite des Eingangsbereiches auf einigen Porträtbildern stehend dargestellt, wobei er hinauf in den Himmel blickte, beide Arme ausgestreckt in der Art eines Betenden.“ In einem jüngeren Aufsatz sieht der Althistoriker und Numismatiker Kay Ehling eine solche Münze (Abb. 4) in einer hellenistischen Tradition (Ehling, Beobachtungen S. 407-417). Feldherren wie Alexander der Große, Antiochos I. und Antiochos III. haben sich bereits mit erhobenem Blick darstellen lassen, wenn sie Feldzüge nach Osten, nach Persien und Indien unternahmen. Konstantin, der sich erst auf dem Sterbebett taufen ließ, wäre nach dieser Interpretation noch in Strukturen des alten Glaubens verhaftet gewesen. Wenn er auf der Münze betend dargestellt worden sei, hätte er sich nicht an den Christengott gewandt, sondern noch an den Sonnengott Sol. Dazu sei aber kritisch angemerkt, dass sich die Hinwendung Konstantins zum Christentum schrittweise vollzogen hat. Er ließ zwar noch bis 325 Münzen mit Sol auf der Rückseite prägen. Ein im Jahr 313 ausgegebenes Medaillon zeigt ihn aber auch erstmals mit einem Christogramm auf dem Helm. Als Herrscher begann er schon wenig später ein großes Kirchenbauprogramm, und er berief seit 313 Konzilien ein. Das bekannteste davon war das erste Konzil von Nicäa, das im Jahr 325 stattfand und an dem mehr als 200 Bischöfe teilnahmen. Auf die komplexe Religionspolitik Konstantins kann hier jedoch nicht näher eingegangen werden.
Als Alternative zur Interpretation von Ehling scheint es mir auch möglich, dass Eusebius einen Bedeutungswandel bei den Bilddarstellungen wahrnimmt, also nicht erfindet. Dann könnte eine bereits existierende Form der Anbetung mit zum Himmel gehobenen Augen schon zu Lebzeiten Konstantins in eine christlich interpretierbare Ausdrucksform überführt worden sein, wie es der antike Autor ja auch mit Beispielen aus der Bauplastik beschreibt. Es wäre in diesem Fall nicht nötig, dem Kirchenschriftsteller eine Art feindlicher Übernahme der ursprünglichen Aussage der Geldstücke zu unterstellen.
Nach dem Tod Konstantins sind verschiedene Münzen geprägt worden, die zeigen, wie er zum Himmel auffährt (Abb. 5). Auch diese hat Eusebius sehr gut beschrieben (Eusebius, Vita Constantini 4,73, Übersetzung zitiert nach Schneider): „Es wurden aber auch schon Münzbilder geprägt; die den Dreimalseligen auf der Vorderseite mit verhülltem Haupt, auf der Rückseite aber nach Art eines Wagenlenkers auf einem Viergespann darstellen, während er von einer rechten Hand, die sich von oben her zu ihm ausstreckte, nach oben geholt wurde.“ Im Kontext eines vorangehenden Kapitels mit der Schilderung des Gottesdienstes und der kirchlichen Bestattung Konstantins (Eusebius, Vita Constantini 4,71) sowie des nachfolgenden (Vita Constantini 4,74) mit dessen Hervorhebung als erstem christlichen Kaiser stellt Eusebius einen Rahmen her, in dem die Szene auf der Münze einen eindeutig christlichen Bezug hat. Das bestätigt auch dessen Bezeichnung als Dreimalseligem (so unzweifelhaft auch für Konstantins Mutter, vgl. Eusebius, Vita Constantini 3,46,2). Die Darstellung selbst hat zwar eine Tradition im paganen Kaiserkult, jedoch ist das Motiv in der Spätantike auch schon für Bilder mit der Himmelfahrt des Elias (2 Könige 2,9-14; vgl. etwa Gerke S. 91 f.) in einen biblischen Kontext gesetzt worden. Das Bild kann also auf der Münze eine Bedeutungsverschiebung erfahren haben. Möglicherweise fehlte dem antiken Text hier noch eine abschließende Bearbeitung, die den christlichen Sinnzusammenhang konkret verdeutlicht hätte (vgl. etwa Schneider, Eusebius S. 498 Anm. 358). Das Bild konnte von „heidnischen“ Kreisen zwar noch im Sinn einer traditionellen Vergöttlichung, der Apotheose, verstanden werden. Es muss aber nicht unterstellt werden, dass die christlichen Söhne Konstantins, die die Münzen ausgegeben haben, hier noch ein ausdrückliches Statement im Sinne der alten Religion setzen wollten. Ein Ansatz, nach dem die fehlende unmittelbare Nennung Gottes in diesem Textausschnitt einen Hinweis auf ein traditionelles, mit nichtchristlicher Absicht gestaltetes Bild vor dem Hintergrund einer Sonnensymbolik bieten solle (vgl. Pohl, Zeugen), greift daher wohl zu kurz.
Die Tatsache, dass antike Autoren insgesamt verhältnismäßig selten über Darstellungen auf Münzen schreiben, hat in der Forschung Anlass zu der Frage gegeben, ob politische oder andere Motive auf den Prägungen damals von der Bevölkerung überhaupt in der Weise wahrgenommen wurden, wie dies in der heutigen Wissenschaft geschieht. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion leistete der Althistoriker Joachim Szidat, der einige Überlieferungen zu Julian II. (Julian Apostata, römischer Kaiser von 360-363) mit Darstellungen von dessen Münzen in Verbindung gebracht hat (zur Forschungsdiskussion Szidat, Münzpropaganda S. 22). Vor seinem Persienfeldzug im Jahr 363 hielt sich Julian einige Monate mit seiner Armee in Antiochia am Orontes auf. In dieser Zeit kam es dort zu einer Hungersnot, die durch die Anwesenheit der Truppen wohl noch verstärkt worden ist. Sokrates Scholastikos, ein Kirchenschriftsteller des 5. Jahrhunderts, meint dazu, dass die Händler Waren zurückhielten; Anweisungen des Kaisers, Preise zu senken, bleiben erfolglos. In der Bevölkerung kursierten Beschimpfungen über Julians Aussehen, besonders über seinen Bart. Münzen mit der Abbildung eines Stieres, die er prägen ließ, seien Ausdruck seiner Zerstörung der Welt (Sokrates Scholastikos, Kirchengeschichte III,20). Der Kirchenhistoriker Sozomenos, der etwas später schreibt, gibt die Ereignisse ebenfalls wieder (Sozomenos, Kirchengeschichte 5,19,1-3, zitiert nach Hansen): „Der Kaiser kam bei seinen Vorbereitungen für den Perserfeldzug nach Antiochien in Syrien. Als die Menge dort ausrief: ‚Lebensmittel sind genug da, sie werden nur zu teuer verkauft,‘ da versuchte er (Julian), denke ich, in seinem Streben nach Popularität das Volk für sich zu gewinnen und ließ die Waren auf dem Markt für einen unangemessen niedrigen Preis verkaufen. Die Händler suchten daraufhin das Weite, und die Lebensmittel wurden knapp. Die Bewohner von Antiochia, die das als ein Unglück empfanden, beschimpften den Kaiser und rissen ihre Witze über seinen Bart, der so lang sei, und über die Münze, die mit einem Bild eines Stieres geprägt war: die ganze Welt sei wie die geschlachteten (also geopferten, Anm. Verf.) Stiere unter seiner Führung zu Fall gebracht worden, höhnten sie.“ Mit dieser Ablehnung weisen die beiden christlichen Autoren also darauf hin, dass die Abbildung in ihren Augen eine heidnische religionspolitische Bedeutung gehabt hat. Ephräm der Syrer (gestorben 373), ein Kirchenschriftsteller, der das Münzbild ebenfalls kennt, interpretiert den Stier gar zum goldenen Kalb der Israeliten um und benutzt die Prägung Julians in einem massiv antijudaistischen Gesang (Vier Lieder über Julian den Apostaten, Erstes Lied 16-19).
Auch von der von Sokrates Scholastikos und Sozomenes genannten Art von Münzen sind Exemplare erhalten (Abb. 6). Die Umstände sieht der eigentlich dem Kaiser positiv gegenüberstehende, zeitgenössische Autor Ammianus Marcellinus durchaus kritisch (Amm. 22,13,6, zitiert nach Seyfarth): „Mit Strömen von Blut von Opfertieren übergoss er die Altäre nur allzu häufig und opferte bisweilen hundert Stiere und zahllose Herden von verschiedenem Kleinvieh, dazu weiße Vögel, die zu Wasser und zu Lande aufgebracht wurden. So kam es, dass beinahe täglich Soldaten auf den Schultern von Passanten aus öffentlichen Gebäuden, wo sie sich mehr sträflichen als erlaubten Gelagen hingaben, denn sie lebten infolge des reichlichen Mastfutters von Fleisch (sie verzehrten das Opferfleisch der genannten Tiere, Anm. Verf.) haltlos dahin und waren vom Verlangen nach Trunk verdorben worden.“
Für die schon in größeren Teilen christliche Bevölkerung von Antiochia waren diese Speisen aus religiösen Gründen jedoch tabu und trugen zur Linderung des Hungers deshalb nicht unbedingt bei. Ammianus Marcellinus hat ebenfalls schon betont, dass der Kaiser auf der Straße nicht nur wegen der zahlreichen Opfer, sondern auch wegen seiner körperlichen Erscheinung, etwa wegen seines langen, so von Philosophen getragenen Bartes verspottet wurde. Julian reagierte darauf in einer ungewöhnlichen Weise. Er verfasste eine Satire mit dem Titel ‚Misopogogon‘ (Der Barthasser), die sich gegen die Stadt und ihre Bewohner richtete. So erfahren wir aus erster Hand etwas über seine Position (Julian, Misopogon 355 D - 356 A, zitiert nach Müller): „Für einen solchen Spott mussten einst die Tarentiner den Römern büßen, weil sie im Rausch am Dionysosfest deren Gesandte gekränkt hatten. Ihr aber seid in jeder Hinsicht besser dran als die Tarentiner, insofern […] ihr statt fremder Gesandter eure eigene Regierung beleidigt, insbesondere deren Bartwuchs am Kinn und die Abbildungen auf den Münzen.“ Die Anspielung auf die Tarentiner bezieht sich auf eine historische Anekdote: die Römer hatten nach der Beleidigung besagter Gesandten die Stadt Tarent mit Krieg überzogen. In der Folge versichert Julian aber, dass er in Antiochia keine Gewalt anwenden werde – in Anbetracht des bevorstehenden Feldzuges vielleicht eine weise Entscheidung.
Wichtig ist hier, dass der Kaiser selbst davon weiß, dass über Bilder auf seinen Münzen gespottet wird und dass er sich über eine angemessene Reaktion Gedanken macht. Im Kontext der Überlieferung können wir also einen Dreischritt fassen: Die staatliche Propaganda möchte mit dem Bild auf der Münze eine Position vermitteln – die Abbildung wird in der Bevölkerung auch diskutiert, verfehlt ihren Zweck aber und wird stattdessen mit Spott kommentiert – der Kaiser denkt über Konsequenzen nach und verzichtet im konkreten Fall auf Gewalt. Anhand dieses Beispiels lässt sich die Frage, ob die Menschen die Botschaften auf dem Geld wahrnehmen, eindeutig bejahen. Übrigens wird die Frage, was der Stier auf der Münze denn nun ausgesagt hat, in der modernen Forschung kontrovers diskutiert. Die Aussage der späteren Kirchenschriftsteller, es handele sich um ein Opfertier, wird heute selten akzeptiert. Ammianus Marcellinus berichtet (22,14,6), dass während Julians Aufenthalt in Antiochia in Ägypten ein neuer Apisstier entdeckt worden ist, was als glückliches Vorzeichen gesehen wurde. Doch auch dies ist als Deutung der Darstellung umstritten (vgl. Szidat, Münzpropaganda S. 26 f.).
Ein Gesichtspunkt, der zu der Frage führt, warum es unüblich für zeitgenössische Schriftsteller war, die konkreten Themen der Münzdarstellungen zu behandeln, lässt sich indirekt aus der hier aufgeführten Äußerung von Julian Apostata erschließen. Der Kaiser ließ in Antiochia zwar Milde walten, die Gefahr einer Strafe klingt aber doch an. Hier scheint es so, dass die Kritik, die sich auch an Münzdarstellung entzündete, sich nicht ohne weiteres auf einen fassbaren Urheber zurückführen ließ, sondern es war durch die Masse eine gewisse Anonymität gewährleistet (Szidat, Münzpropaganda S. 27). Für einen einzelnen Autoren, der bekannt war oder zu dem ein Schriftstück zurückverfolgt werden konnte, hätte dagegen vielleicht doch ein größeres persönliches Risiko bestanden. In die Interpretationshoheit einzugreifen, die der noch lebende Kaiser über die eigene Münzpropaganda hatte, dürfte deshalb als Wagnis empfunden worden sein. Wer in der Antike erst nach dem Tod eines Herrschers ein solches Thema aufgriff, war zwar weniger gefährdet. Die meisten antiken Historiker waren offenbar gewohnt, vor allem mit Schriftquellen wie Berichten, Briefen oder Redemanuskripten zu arbeiten. Vielen kam vielleicht gar nicht in den Sinn, zusätzlich auch alte Münzen zu beschreiben. Es war auch nicht einfach, solch kleinformatiges Bild in späterer Zeit noch passend und mit Nutzen verwenden zu können. Dazu benötigte der Autor erst einmal das entsprechende Geldstück selbst oder wenigstens eine gute Beschreibung davon. Selbst dann konnte er wohl oft nicht sicher sein, dass seine Leserschaft diese alten Münzen ebenfalls noch gut genug kannte und sich dafür interessierte. Diese verschiedenen Gründe mögen mit dafür verantwortlich sein, dass das Medium Geld in der Literatur nur wenig rezipiert wurde.
Antike Quellen berichten über Geld meist im Zusammenhang mit Preisen und Werten von Dingen oder Entlohnungen (Zusammenstellung bei Szaivert/Wolters, Löhne). Die Bildmotive mehr als beiläufig zu erwähnen, lohnte sich offenbar vor allem im Genre der Geschichtsschreibung. Doch auch hier handelt es sich um Ausnahmen, für die die entsprechenden Autoren wohl noch eine zusätzliche Motivation brauchten. Nach den hier betrachteten Beispielen illustrieren die Beschreibungen gern besondere Situationen oder Momente: die versuchte Rechtfertigung des Mordes an dem Ausnahmepolitiker Julius Caesar, die Geltungssucht eines als Musiker auftretenden Nero, die Heraushebung des ersten christlichen Kaisers Konstantin, schließlich die religionspolitisch bedeutsame Zeit des zu den alten Religionen zurückgekehrten „heidnischen“ Herrschers Julian in Antiochia, die bei einigen christlichen Schriftstellern nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Hier ließen sich weitere Beispiele ergänzen, so die angeblich exzessiven Strafen für Majestätsbeleidigung unter Tiberius, wenn jemand nur eine Münze des Augustus in die Latrine oder ins Bordell mitnahm (Sueton, Tiberius 58); oder die bei Plinius dem Älteren in dessen Naturgeschichte (Plin. nat. 33,3,13) überlieferte, geldgeschichtlich bedeutsame Anekdote nach der die lateinische Bezeichnung für Geld, pecunia, sich vom Vieh (pecus) ableitete und dass dementsprechend Vieh auf frühen Zahlungsmitteln abgebildet war (Abb. 7). Über Münzbilder zu schreiben war in diesem Sinn vielleicht ein zusätzliches, wenngleich selten genutztes Stilmittel antiker Historie.
Ausgaben der im Text genannten antike Quellen
Ammianus Marcellinus – W. Seyfarth (Hrsg. u. übers.), Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte (Darmstadt 1970).
Cassius Dio – O. Veh (Übers.), Cassius Dio, Römische Geschichte (Düsseldorf 2009).
Ephräm der Syrer, Vier Lieder über Julian den Apostaten – In: O. Bardenhewer (Übers.), Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften 1. Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37 (Kempten / München 1919).
Eusebius, Vita Constantini – H. Schneider (Hrsg. u. übers.), Eusebius, De vita Constantini. Über das Leben Konstantins. Fontes Christiani 83 (Turnhout 2007).
Historia Augusta – E. Hohl (Übers.), Historia Augusta (Zürich / München 1975).
Julian, Misopogon – F. L. Müller (Hrsg. u. übers.), Die beiden Satiren des Kaisers Julianus Apostata. Palingenesia 66 (Stuttgart 1998).
Plinius, Naturgeschichte – R. König (Hrsg. u. übers.), Plinius Naturkunde 33. Buch (Düsseldorf 1984).
Sokrates Scholastikos, Kirchengeschichte – A. Zenos (Übers.), The Ecclesiastical History of Socrates Scholasticus (Oxford 1890).
Sozomenes, Kirchengeschichte – G. Hansen (Hrsg. u. übers.), Sozomenos, Historia Ecclesiastica. Fontes Christiana 73/3 (Turnhout 2004).
Sueton – R. Till (Übers.), Sueton, Caesarenleben (Stuttgart 1939).
Literaturauswahl
E. Champlin, Nero (Harvard 2003).
K. Ehling, Beobachtungen zum Portrait der Tetrarchen und Konstantins des Großen. In: A. Pangerl (Hrsg.), Portraits. 500 Jahre römische Münzbildnisse (2. Aufl., München 2017) 407-417.
F. Gerke, Die christlichen Sarkophage der vorkonstantinischen Zeit. Studien zur spätantiken Kunstgeschichte 11 (Berlin 1940).
P. Pohl, Zeugen der Vergangenheit III: Näher, mein Gott, zu dir. Online-Publikation Universität Freiburg/Br. https://www.altegeschichte.uni-freiburg.de/num/muenzenimfokus_zeugendervergangenheit abgerufen am 11.02.2020.
W. Szaivert/R. Wolters, Löhne, Preise, Werte. Quellen zur römischen Geldwirtschaft (Darmstadt 2005).
J. Szidat, Zur Wirkung und Aufnahme der Münzpropaganda (Iul. Misop. 355 d). Museum Helveticum 38, 1981, 22-33.
Bildquellen, Bildrechte, Bildautoren
Abb. 1) Wikipedia, Autor Carlomorino, abgerufen am 12.2.2020
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:RSC_0015.jpg
Abb. 2) Wikipedia, Autor Classical Numismatic Group, abgerufen am 12.2.2020
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:GALLIENUS-RIC_V_18-807315.jpg
Abbildung 3) Landesmuseum Württemberg, abgerufen am 12.2.2020
https://lmw.museum-digital.de/singleimage.php?imagenr=1336)
Abbildung 4) Wikipedia, Autor: Classical Numismatic Group, abgerufen am 12.2.2020
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Solidus_multiple-Constantine-thessalonica_RIC_vII_163v.jpg
Abbildung 5) Wikipedia, Autor Hermann Junghans, abgerufen am 12.2.2020
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Constantinus_I._Km_136.213_Av.JPGhttps://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Constantinus_I._Km_136.213_Rv.JPG&filetimestamp=20181103082645&)
Abbildung 6) Wikipedia, Autor Hermann Junghans, abgerufen am 12.2.2020
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Julianus_II.,_Km_153.33_Av.JPG
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Julianus_II.,_Km_153.33_Rv.JPG)
Abb. 7) Wikipedia, Bildautor Siren-Com, abgerufen am 12.2.2020
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:As_signatus_Gallica_23096_face_B.jpg
Kommentare
Keine Kommentare