Römische Damensportwäsche

Seit den 50er Jahren sind bei Ausgrabungen in London mehrere Höschen aus Leder geborgen worden. Bekannt sind darüber hinaus ein Exemplar aus Trier sowie ein heute verschollener Altfund aus Mainz. Alle Funde sind stark abgetragen und lagen als Teil römischer Siedlungsabfälle eingebettet in einem staunassen und damit sauerstoffarmen Milieu, was den verhältnismäßig guten Erhaltungszustand erklärt. Im Schnitt ähneln einige Höschen unseren modernen Bikinislips (vgl. Abb. re.), andere erinnern an Tangas (vgl. Abb. li.), wobei anstelle eines Strings zwei Bänder um die Oberschenkel geschlungen wurden. Frauen trugen solche Höschen entweder mit oder ohne einen trägerlosen Büstenhalter, dem sog. Strophium, wie bildliche Darstellungen belegen; die bekannteste ist das Mosaik mit den sog. „Bikini-Mädchen" in der Villa Romana del Casale bei Piazza Armerina auf Sizilien. Aus der Datierung und der Verteilung der Fundorte der Höschen und der Bilddenkmäler lässt sich ableiten, dass ihr Gebrauch während der gesamten Kaiserzeit allgemein im Imperium verbreitet war.

Anfangs hielten die Forscher die Lederslips für Berufskleidung von Prostituierten. Obwohl man von dieser Interpretation inzwischen weitgehend abgekommen ist, werden sie selbst in der Fachliteratur immer wieder mit Erotik assoziiert, was durchaus nachvollziehbar ist. Bedingt nämlich durch unsere kulturelle Prägung denken wir bei knapp geschnittenen Höschen aus (rotem) Leder mit zarten Bändern und punziertem Lochmuster automatisch an Fetischmode. Dafür liefern allerdings weder die römische Literatur noch die Bilddarstellungen Anhaltspunkte. In der erotischen Kunst sind knappe Höschen nicht vertreten. Selbst die Liebesgöttin Venus wird nie mit einem Slip dargestellt, häufig aber mit dem Strophium, das solo unter dem Chiton getragen, in der klassischen Antike sehr wohl als raffiniertes Dessous galt. Höschen hingegen tauchen ausschließlich im Zusammenhang mit Frauen auf, die sich sportlich betätigen. Dafür lassen sich neben den Bildquellen aus der römischen Kaiserzeit Spiegelgriffe und Vasenbilder anführen, die in die archaische bzw. klassische Epoche datieren. Tatsächlich sind Sporthöschen für Frauenkeine römische Erfindung, sondern gehen auf griechische Vorläufer zurück.

Der mitunter extrem knappe Schnitt lässt sich damit erklären, dass die Bewegungsfreiheit des Körpers nicht eingeschränkt werden sollte. Denn griechischer Tradition zufolge übten sich Männer in Leichtathletik, in Gymnastik und selbst in Kampfsportarten wie Ringen und Boxen nackt. Die Höschen werden von Frauen und Mädchen aus hygienischen Gründen getragen worden sein, nämlich zum Schutz vor dem Sand und Staub der Sportplätze und während der Periode. Schamgefühl hat vermutlich, außer bei Akrobatinnen, die vor Publikum auftraten, eine untergeordnete Rolle gespielt, denn trainiert wurde nach Geschlechtern getrennt. Darum war es nicht zwingend erforderlich die Brüste zu verhüllen, sondern bei einer zierlichen Brust konnte auf das Tragen eines Büstenhalters verzichtet werden.

Gegenüber den übrigen Funden weist das verlorene Exemplar aus Mainz (vgl. Abb. u.), welches in einer maßstabsgetreuen Fundzeichnung überliefert ist, mehrere Besonderheiten auf: Neben der ungewöhnlich aufwändigen Verschnürung mit insgesamt 32 Bändern ist auffällig, dass der vordere Rand fast bis an den Bauchnabel reicht. Eine Rekonstruktion ergab, dass der Slip einer Person mit schlanken Oberschenkeln und deutlichem Bauchansatz passt. Die Vermutung liegt nahe, dass dieses Modell speziell fürSchwangere konzipiert war. Abwegig ist dieser Gedanke nicht, denn in ihren Lehrbüchernbetonen antike Mediziner, wie wichtig es für Frauen sei regelmäßig Sport zu treiben und dies – in maßvoller Weise – auch während Schwangerschaft und Stillzeit weiterhin zu tun.

Übrigens erfüllen die verschiedenen Rekonstruktionen, welche die Verfasserin, in Anlehnung an die Originale aus Ziegenleder fertigte, alle Anforderungen, die wir heute von moderner Funktionswäsche erwarten: perfekter Sitz bei voller Bewegungsfreiheit!

 

Gisela Michel M. A. 
forscht zu Kleidung, Accessoires und Körperpflege in römischer Zeit.

 

Literatur:

​Martin Dolch: „Wettkampf, Wasserrevue oder diätetische Übungen? Das Mosaik mit den zehn Mädchen in der römischen Villa bei Piazza Armerina auf Sizilien." Nikephoros V (1992) 153-182.

Carol van Driel-Murray: „Putting some flesh on the bones: Leather bikinis and body size." Rob Collins/Frances McIntosh (Hrsg.): Life in the Limes. Studies of the people and objects of the Roman frontiers. Havertown 2014.

Sabine Faust / Peter Seewaldt / Monika Weidner: „Erotische Kunstwerke im Rheinischen Landesmuseum Trier." Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 39 (2007) 39-59.

Klaus-Peter Goethert: „Römische Ledertangas – zeitlos modisch." Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 39 (2007) 60-63.

Anneliese Kossatz-Deißmann: „Zur Herkunft des Perizoma im Satyrspiel." Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 97 (1982) 65-90.

Elisabeth J. Stafford: „Viewing and obscuring the female breast. Glimpses of the ancient bra." Liza Cleland/Mary Harlow/Lloyd Llewellyn-Jones (Hrsg.): The clothed body in the ancient world. Oxford 2005.

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