Lecker Schnecken

Auf römischen Mosaiken eines ‚ungefegten‘ Raumes (oikos asarotos) sieht man eine Menge interessanter Dinge (Vgl. Blog „Der ungefegte Boden“ – https://blog.afm-oerlinghausen.de/der-ungefegte-boden-eine-ganz-spezielle-art-von-mosaik/ ). Auf den Bildern liegen die Reste eines Festmahls: lebensnah getroffene Reste von Fischen und Krustentieren, abgenagten Knochen, Eierschalen oder eben auch Schneckenhäuser (Abb. 1).

Bei einer Schnecke auf dem Mosaik könnte es sich aufgrund der Gehäusezeichnung mit den deutlich erkennbaren hellen und dunklen Streifen um eine Gefleckte Weinbergschnecke handeln (Abb. 2).

Diese Tierart ist im Mittelmeerraum verbreitet und wird gegenwärtig zu Speisezwecken gezüchtet. Das hier abgebildete Gehäuse ist allerdings von den Proportionen her zu groß, die Gehäuse der Gefleckten Weinbergschnecke erreichen Durchmesser von bis zu 4 cm.

Gegessen wurden in römischer Zeit neben landlebenden Schnecken auch solche aus dem Meer. Bei Meeresfrüchten aller Art ist damals wie heute darauf zu achten, dass diese sehr frisch auf den Tisch kommen. Für wohlhabende Familien in küstennahen Städten oder Villen in Italien war dies kein Problem. Dennoch zählte Salzwasserschnecken wie die ebenfalls auf dem Mosaik abgebildete Stachelschnecke zu den Luxusgütern.

Wollte man Schnecken oder auch Eier stilvoll verzehren, gab es eigene Löffel, Cochlear (vom griechischen κόχλος, kóchlos Schnecke) genannt. Bei Anlässen wie einem Festmahl konnten nach Auskunft des römischen Dichters Martial Löffel dieser Art verschenkt werden (Martial XIV, 121). Charakteristisch für die Besteckform ist das spitze Ende, mit dem man die zubereiteten Tiere aus dem Gehäuse herausholen konnte. Reiche Haushalte verfügten über ganze Sätze dieser Löffel, die dann aus Silber gefertigt wurden. Üblich waren offenbar Ensembles von 12 Stück (Abb. 3).

So wie in heutigen Rezepten manchmal die Angabe „ein Löffel voll“ vorkommt, wird der Cochlear in der Antike in ähnlicher Weise etwa im Kochbuch des Apicius als Maßeinheit benutzt.

In Deutschland ist es seit einigen Jahren nicht mehr erlaubt, die hiesigen Weinbergschnecken aus der Natur zu entnehmen. Tiefgefroren erhält man sie durchaus noch, sie stammen dann allerdings, ebenso wie die Gefleckte Weinbergschnecke, aus Zuchtanlagen. Die antike Kundschaft war bei der Zusammenstellung ihrer Bankette ebenfalls nicht auf Wildfänge angewiesen. Der Autor Marcus Terentius Varro (*116 v. Chr. †27 v. Chr.) überliefert im dritten Buch der „Gespräche über die Landwirtschaft“ (Varro rust. 3,XIV), auf welche Weise findige römische Landwirte die Schneckenzucht betrieben haben. Der Autor betont zunächst, dass Gehege im Freien allseits mit Wasser umgeben sein müssen, damit die Tiere nicht entweichen. Für die Haltung selbst wird darauf hingewiesen, dass die Anlagen nicht zu stark besonnt werden und darüber hinaus auch Feuchtigkeit benötigen. Wenn nicht ausreichend natürlicher Tau fällt, empfiehlt der Autor als Ersatz einen Brunnen, aus dem Wasser verspritzt wird. In der Fütterung sind die Schnecken anspruchslos, da sie ihre Nahrung selbst finden und zur Ergänzung lediglich Zweige von Lorbeerbäumen sowie Kleie bekommen. Selbst an den Aufwand für das Personal denkt Varro bereits, wenn er darauf hinweist, dass ein eigener Wärter für die Zucht nicht vonnöten ist. Bei einer anderen Methode leben die Schnecken in einem verschlossenen und mit Luftlöchern versehenen Topf, gefüttert werden sie hier mit Traubenmostmehlbrei.

Für den römischen Schriftsteller ist der wirtschaftliche Aspekt durchaus wichtig. Werden auf einem Hof gleich mehrere mit Wasser umschlossene Inseln für die Schneckenzucht angelegt, so betont er, bringt diese viel Geld ein. Konkrete Preise hat er jedoch nicht genannt.

Schnecken werden nicht nur gegessen, sondern sogar als Medizin verabreicht. Der römische Schriftsteller Celsus (*um 25 v. Chr., †um 50 n. Chr.), der selbst aber wohl nicht als Arzt tätig war, versichert, Schnecken seien gut für den Magen, doch billigt er ihnen nur einen geringen Nährwert zu (Cels. II,18,3; 24, 29). Plinius der Ältere (*23 oder 24, †79 n. Chr.) kennt im 30. Buch seiner Naturgeschichte unterschiedliche Rezepte auf der Basis von Schnecken. Auch davon ist eines angeblich dem Magen zuträglich und daher im weitesten Sinne vielleicht auch eine Kochanleitung. Man soll die Tiere ohne ihren Körper zu berühren in Wasser etwas warm werden lassen, sie dann ohne weitere Zusätze auf Kohlen rösten und anschließend mit Wein oder Garum (Fischsauce) essen. Auf die bei antiken Autoren wie Plinius angegebenen Rezepturen darf man sich mit dem Stand der Medizin des 21. Jahrhunderts allerdings ausdrücklich nicht verlassen! Dass er den auf ihre vornehme Blässe achtenden Römerinnen empfiehlt, die Asche von Schneckenhäusern gegen Sommersprossen aufzutragen, klingt da noch unschädlich – und wirkungslos.

Wie die Teilnehmenden eines römischen Gastmahls die Schnecken zubereitet bekamen, lässt sich bei einem Blick in das unter dem Namen des Apicius überlieferte Kochbuch „De re coquinaria“ (Über die Kochkunst) wenigstens erahnen. In einem einfachen Rezept werden die Schnecken in Öl mit Salz gebraten und mit Öl und Pfeffer abgeschmeckt. Eine hier ebenfalls angegebene Zutat ist jedoch nicht mehr erhältlich. Laserpicium, eine Pflanze, die in Nordafrika wuchs, ist wohl schon in der Antike ausgestorben.

Die Kochanleitung, die ich Ihnen abschließend noch zitieren darf, ist nichts für zarte Gemüter (Apicius VII,323, Übersetzung nach Danneil): „Nimm Schnecken, reinige sie mit einem Schwamm, ziehe sie aus ihrem Häuschen. Lege sie einen Tag in ein Gefäß mit Milch und Salz; die folgenden Tage erneuere die Milch und säubere die Schnecken stündlich von ihrem Schmutz; wenn sie gemästet sind, dass sie sich nicht (in ihr Haus) zurückziehen können, brate sie in Öl und tue Weinbrühe hinzu.“

Der Appetit war hier vielleicht größer, wenn man sich mit der Vorbereitung des Essens nicht selbst auseinandersetzen musste. Aber dafür hatten wohlhabende Haushalte schließlich ihre Sklaven.

 

 

Im Text genannte antike Quellen und Ausgaben

Zitierte Übersetzung: E. Danneil, Apicius. Altrömische Kochkunst in zehn Büchern (Leipzig 1911).

Zweisprachige Ausgabe etwa: Marcus Gavinus Apicius. De re coquinaria. Über die Kochkunst. Hrsg. und übers. von R. Maier (Stuttgart 1991).

Celsus, De Medicina, Bd. I–III. Hrsg. und ins engl. übers. von W. G. Spencer (Cambridge 1935–1938).

Martial, Epigramme. Übers. von W. Hoffmann. (Frankfurt/M und Leipzig 1997).

C. Plinius d. Ä., Naturkunde. 37 Bücher. Hrsg. u. übers. von R. König (München 1973 ff.).

Marcus Terentius Varro, Gespräche über die Landwirtschaft Buch I–III. Hrsg., übers. und erläutert von D. Flach (Darmstadt 1996–2002).

 

Bildquellen: Wikipedia. Abb. 1 AlfvanBeem; Abb. 2 MathKnight; Abb. 3 Carole Raddato

 

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