Knochenfeuer

In der Eiszeit gab es wenig Holz, aber viele große Tiere. Kein Wunder also, dass man aus den Feuerstellen dieser Zeit viel Knochenkohle findet. Die Menschen verheizten Knochen aber auch in geringerem Maß in wärmeren Zeiten.
Wie ein solches Feuer funktioniert, haben wir diesen Winter ausprobiert. Nicht im Sinn eines wissenschaftlichen Experimentes, sondern um erste Gehversuche in dieser Form des Heizens zu machen. Denn was nutzt ein noch so ausgeklügelter Versuchsaufbau, wenn das grundlegende Know-How fehlt.
Gerade weil wir im Betrieb über lange Jahre hinweg täglich mit offenen Feuern umgehen, hat uns dieses Feuer mit seiner Andersartigkeit überrascht. Ist es erst einmal entfacht (wozu etwas Geduld und nicht wenig Energie notwendig ist), hat es weitaus mehr Nachhaltigkeit als ein Holzfeuer: Es brennt und brennt und brennt. Energielieferant ist dabei natürlich das Fett, es empfiehlt sich deshalb, nicht völlig ausgekochte Knochen zu verwenden. Zum Anzünden eignen sich Rippenfragmente recht gut: Sie haben eine große Oberfläche und sind besser stapelbar. Richtige Dauerbrenner sind danach die Gelenkkugeln. Doch selten verbrennen diese komplett - ist dies gewünscht, muss man häufig umschichten. Nachgelegt werden muss nicht so häufig, allerdings in einer anderen Technik als beim Holzfeuer: Während dieses Luft braucht und man das Brennmaterial entsprechend locker aufeinanderlegt, ist beim Knochenfeuer eine dichte Stapelung sinnvoll. Ein Knochen „wärmt“ dabei den anderen, viel Luftzug ist dabei eher hinderlich als vorteilhaft. So wachsen während des Heizens regelrechte Knochenpyramiden in die Höhe. Da keine richtige Glut entsteht, ist das Schüren völlig stressfrei, man kann mit den Fingern an den Rand des Feuers fassen, ohne sich Brandblasen zu holen. Funken fängt man sich sowieso nicht ein, da es keine gibt.
Ein Knochenfeuer wirkt wie eine riesige Öllampe. Es kann unterschiedliche Brandherde nebeneinander haben (Abbildung 1). Hat es richtig Zug, können sich diese wie auf Abbildung 2 zu einer Flamme vereinen. Dann fühlt man sich wie bei Aladin und die Wunderlampe. Es ist sehr hell und flackert wenig. Das macht es ideal zum nächtlichen Arbeiten, etwa zum Nähen. Man kann sehr nahe an dieses Feuer heran und sieht deshalb hervorragend, auch wenn es außenherum dunkel ist. Da es weitaus weniger toxische Gase als ein Holzfeuer entwickelt, ist die Nähe zum Knochenfeuer auch nicht unangenehm. Rauch hat die vorgeschichtlichen Menschen stark belastet, aktuelle Untersuchungen an prähistorischen Skeletten sprechen hierzu eine deutliche Sprache. Das war den Menschen sicher auch damals bewusst. Am nächsten Tag keinen dicken Kopf zu haben ist schließlich ein Grundbedürfnis des Menschengeschlechts.
Der energetisch optimale Abendverlauf in der Eiszeit dürfte also so ausgesehen haben: Zunächst ein Holzfeuer, das zwar anfangs einräuchert, aber die Raumtemperatur überschlagen lässt. Holzfeuer eignen sich auch besser zum Kochen, es sei denn, man möchte lang anhaltende, schwache Hitze. Ist man dann warm und satt, werden Knochen nachgelegt. Dadurch wurde sozusagen das Licht angemacht. So konnte man bequem noch ein paar Stündchen an seiner komplizierten Näharbeit sitzen, ohne sich groß ums Feuer kümmern zu müssen.
Die Vor- und Nachteile der beiden Feuerarten sind auf Abbildung 3 gegenübergestellt. Knochen scheinen vor allem indoor eine gute Alternative zu Holz. Wir haben im Brandkern zwar bemerkenswerte 812 Grad Spitzentemperatur gemessen, aber an gefühlter Wärme kommt davon schon allein aufgrund der Architektur der Feuerstelle nicht viel an. Wenn es richtig kalt ist und man kein Dach überm Kopf hat, ist es deshalb sicher besser, auf Holz zurückzugreifen. Da bei paläolithischen Jagden häufig viel Beute auf einmal anfiel, spielte sicherlich auch der Gedanke an die Entsorgung von rottigen Schlachtabfällen eine Rolle. Im trocken-kalten Klima des Hochglazials werden Knochenfragmente schnell gefriergetrocknet. Auch wir haben die verwendeten Rinderknochen erst einmal ein paar Tage ins Kühlhaus gelegt, sie waren danach optimal verwertbar - ohne zu stinken. Die Knochenasche lässt sich vielseitig verwerten, man denke beispielsweise an die „Knochenmagerung“ der frühneolithischen La Hoguette-Keramik, die sicherlich eine Knochenaschemagerung ist.
Was nicht richtig gemessen werden kann, ist die ruhige Atmosphäre. Knochenfeuer wurden wohl auch als beherrschbare Feuer geschätzt. Sie wirken zahmer und „freundlicher“ als Holzfeuer. Und wenn sie erlöschen, ist ihr Zauber schnell vorbei, da keine Glut an sie erinnert.

Dank:
- Dem LWL-Ziegeleimuseum Lage für die Bereitstellung des Hochtemperatur-Infrarotpyrometers,
- dem Bioland-Betrieb Ulrich Klinke in Wünneberg-Fürstenberg für die Knochen von großen Weiderindern,
- Christian Schürmann für die zahlreichen Ideen und die technische Umsetzung.
 

Kommentare

Total interessant, noch nie gehört, maan lernt doch nie aus

Hallo Karl,

ihr scheint ja auf jeden Fall Spaß gehabt zu haben.

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