Frühgeschichte in extrem rechten Comics, Teil 2

Siggi und Babarras (ab 1964)

Nach 1945 verlor sich das nationalsozialistische Frühgeschichtsbild nur teilweise im Muff der völkischen Parallelwelten. Eine treibende Kraft für die modisch aufgehübschten Nachkriegsgermanen waren NS-Archäologen, die im akademischen Betrieb nicht mehr Fuß fassten. Sie mussten auf Tätigkeiten ausweichen, die von der Gunst der Öffentlichkeit abhingen. Deshalb passten sie sich im Gegensatz zu ihren nicht minder belasteten akademischen Kollegen zumindest optisch an die neue Zeit an. Drei prominente Beispiele: Hans Reinerth, der Leiter des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte Alfred Rosenbergs, leitete bis 1990 das überaus besucherstarke nichtstaatliche Pfahlbaumuseum Unteruhldingen. Der bekannteste NS-Germanenmaler – Wilhelm Petersen – war ab 1948 nicht nur für die Hörzu an der Entwicklung der Igelfigur Mecki beteiligt, auch seine alten und neuen Germanenbilder erlebten kontinuierlich Wertschätzung. Bolko von Richthofen gründete 1969 die erste deutschlandweite archäologische Laienvereinigung, die Mannus-Gesellschaft. Er zählte zu den härtesten NS-Archäologen und war hochrangiger Offizier der geheimdienstlichen Abteilung Fremde Heere Ost der Wehrmacht. Alle drei waren auch nach 1945 mit der extremen Rechten vernetzt. Da es in den ersten Nachkriegsjahrzehnten keine tiefgreifende öffentliche Aufarbeitung des NS-Frühgeschichtsbildes gab, genügte es – wenn überhaupt – das Design zu ändern.

Ein gutes Beispiel dafür ist eine frühe Adaption der Asterix-Comics für den deutschen Markt. Sie zeigt eindrücklich, wie eng »germanisch« und »nationalsozialistisch« noch in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in Deutschland zusammenhingen. Ein anderes Germanenbild scheint in dieser Zeit in Westdeutschland überhaupt nicht denkbar gewesen zu sein. Abgedruckt wurde die Asterix-Interpretation ab 1965 in dem grafisch sehr trendy inszenierten Jugendmagazin Lupo modern. Lizenzabdrucke später berühmter französischer und belgischer Comics wie Lucky Luke oder Spirou lösten sich dort mit Berichten über die Beatles, Pierre Brice oder Cliff Richard ab. Selbst Drafi Deutscher war sich für eine Gitarrenschule in Lupo modern nicht zu schade. Die Asterix-Umsetzung des Verlegers Rolf Kauka macht aus Galliern schlicht Germanen. Das unbeugsame Dorf steht jetzt am Rhein und heißt Bonnhalla, der Limes ähnelt der Berliner Mauer, das düstere Ostgotenland der DDR. Die Römer mutieren zu amerikanischen Besatzern, die »um das Jahr 45 – vor der Zeitenwende natürlich« das Biotop der germanischen Naturburschen erobert haben. Diese geben sich auch nach ‘45 widerständig und flüstern sich »Amice go home« zu. Mit etwas absonderlichem Humor nehmen die Comics positiv und penetrant auf den Nationalsozialismus Bezug. Der Arvernerfürst Vercingetorix, der als historische Person 52 v. Chr. erfolglos fast ganz Gallien zu einem letzten Aufstand gegen Cäsar vereinte, wird zum germanischen »Feldmarschall« Ariovist. Feldmarschall ist ein militärischer Rang, der weder in der Weimarer Zeit noch im Nachkriegsdeutschland vergeben wurde, sehr wohl aber im Zweiten Weltkrieg. Aus dem Hinkelstein wird der »Schuldkomplex«, den der germanisierte Obelix mit sich herumträgt. Ihm wird auch die Frage »Ist endlich wieder Krieg?« in die Sprechblase eingeschrieben. Beim Blick auf einen übel von den Germanen verwüsteten römischen Militärtrupp wird einem Centurio der Satz »Damned! Das sieht ja hier like Dünnkirchen aus!« in den Mund gelegt. Die Analogie bezieht sich auf den schnellen nationalsozialistischen Westfeldzug und die Einkesselung der Alliierten bei Dünkirchen. In der eingedeutschten Version von Die goldene Sichel fahnden die amerikanisierten Römer nach einem Wernher von Braunsfeld, dessen Name offensichtlich dem deutschen Raketenpionier Wernher von Braun ähnelt. Mit der Operation Overcast versuchte das US-Militär 1945 tatsächlich Kader der NS-Rüstungsforschung zu rekrutieren. Die Figur Braunsfeld wird im Lupo-Asterix durchweg wohlwollend geschildert, ein kleines Genie, das den Eindruck einer nationalsozialistischen Wehrkraft mit eigentlich überlegenem Innovationspotential erzeugt. In derselben Geschichte erwartet die Jugendlichen schließlich ein offen antisemitischer Ausfall. Der jiddelnde Kollaborateur Schieberus (»No, nemmt se fest«) verkauft Sicheln zu Wucherpreisen. Noch während der Auschwitzprozesse wird hier die nationalsozialistische Propaganda vom ›raffenden Kapital‹ und vom Juden als ›Schieber‹ weitergetragen – in einer Auflage von angeblich einer Million Exemplaren.

Lupo kann als Ablativ von lupus (lat. ›Wolf‹) gelesen werden. Kaukas Titel ließe sich dann mit ›Vom modernen Wolf‹ übersetzen. Aber das geht dann wohl doch zu weit. Die Zeitschrift pardon rief bereits 1965 öffentlich die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Plan, sich Lupo modern genauer anzuschauen. Dort stieß sie auf taube Ohren. Jedoch wurden durch den pardon-Artikel die französischen Urheber von Asterixauf die eigenwilligen Interpretationen der Deutschen aufmerksam und konnten nach längerem Streit ihrer Veröffentlichung ein Ende setzen. Zu einem nachhaltigen Umdenken scheint dies aber beim Herausgeber Rolf Kauka nicht geführt zu haben. In einer Kolumne forderte er unter anderem die »Freilassung der unschuldigen Gefangenen in Spandau«, schreibt der taz-Journalist Benno Schirrmeister. Ob ein Netzwerk hinter diesem Projekt stand oder ob es sich um das Produkt eines ideologischen Einzeltäters handelt, ist unklar, da Kaukas Nachlass sich in privater Hand befindet.


Literatur:

Peter Sulzbach, Politische Bildung für die Kleinen, in: pardon Nr. 6 Juni 1965, S. 16-17.

Regina Schleicher, Asterix und die Stereotype, in: Ralf Palandt (Hg.), Rechtsextremismus Rassismus und Antisemitismus im Comic, Berlin: Archiv der Jugendkulturen 2011, S. 158–162.

Benno Schirrmeister, Kuratorischer Fehlschlag. Von der Wolfsschanze nach Fuxholzen, in: Taz Nord, 3. März 2017, S. 13.

 

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