Frühgeschichte in extrem rechten Comics, Teil 1

Legenden aus Hamsterland (2022)


Comics bringen die Verhältnisse auf den Punkt. Ihre ideologischen Hintergründe springen häufig leicht ins Auge – leichter als bei vielen anderen Medien. Die Geschichtspolitik der extremen Rechten erklärt sich deshalb anhand ihrer Comics ziemlich eingängig. Seit einigen Jahren hat sich nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit eine extrem rechte Comicszene gefestigt, die auf eine längere Tradition zurückblicken kann. Auffällig viele Comics davon spielen in einem frühgeschichtlichen – also in einem für uns interessanten – Kontext.

Die ukrainische Serie „Legenden aus Hamsterland“ ist so ein interessantes Beispiel. Von der ersten bis zur letzten Seite durchdringen die Bildwelten des osteuropäischen Frühmittelalterreenactments die Geschichte. 2022 kam eine deutsche Übersetzung beim Dresdner Hydra-Verlag heraus. Als Geschäftsführer des Verlages eingetragen ist der ehemalige Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten, Michael Schäfer. Auf Facebook firmiert Schäfer als Johnny Smith: Anscheinend in Memoriam von Johann Schmidt, dem Ex-SS-Offizier Red Skull, der Captain America das Leben schwer macht. Die Zeitschrift N.-S.-Heute und der extrem rechte Blog Tagesstimme rezensierten „Legenden aus Hamsterland“ mit Wohlwollen.

Die Geschichte ist professionell gezeichnet, hat eine dichte Atmosphäre und einen gut konstruierten Spannungsbogen. Etwas geschmälert wird der Eindruck durch die antiquierte Sprache der Übersetzerin Christina Brock M. A., die auch für den Jungeuropa-Verlag arbeitet und sich im rechtskatholischen Milieu bewegt. Als Kostprobe ein Schüttelreim gleich zur Einleitung vom ersten Band:


„Was ward wirklich sein Schicksal?
Die Antwort liegt im Thronsaal.
Wird nun des Fürsten Wille wahr?
Seht her, was weiter nun geschah…"

 

Es steht offensichtlich momentan nicht gut um das poetische Wollen der rechten Intelligenzia.
Noch vor dem Gedicht im ersten Band ist ganzseitig ein Hamsterkrieger abgebildet (Abb. 1), denn im Comic spielen Hamster die Hauptrolle. Er trägt eine Gewandung, die auf den meisten Wikingermärkten als „irgendwie slawisch“ durchgehen würde. Zentrales Merkmal ist – wie hundertfach auf Events präsentiert – ein großes, so genanntes Kolovrat auf dem Schild. Der Begriff Kolovrat entstammt der gehobenen slawischen Literatursprache. коловрат lässt sich annähernd mit ‘wirbelndes Rad‘ übersetzen. Der russische Held Eupatius wurde Kolovrat genannt, weil er im 13. Jahrhundert mit zwei Schwertern gleichzeitig gegen die Mongolen kämpfen konnte – er ließ die Schwerter undurchdringlich kreisförmig um sich wirbeln. Im Frühmittelalter kommt das Symbol in dieser Form nicht vor. Viel später – in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts – taucht es auf kroatischen Denaren und Halbdenaren auf. Bedeutend wird das Zeichen erst in der polnischen völkischen Bewegung. Davon ausgehend nutzt die moderne polnische extreme Rechte das Zeichen exzessiv. Gerne auch Weiß auf Rot, wie auf dem Schild.

Es gab auch eine kleine westliche Traditionslinie: Auf Zeltlagern der Hitlerjugend wurden Kolovrats an Eingangstoren angebracht, in Verbindung mit den nordischen Göttern Balder und Ziu (Abb. 2). Übernommen wurde dies wohl aus der deutschen Jugendbewegung der 1920er-Jahre. Ein Sportabzeichen der Waffen-SS, die Germanische Leistungsrune, enthielt ebenfalls eine Art Kolovrat mit vier Hasten. Im polnischen Frühmittelalterreenactment ist das Symbol allgegenwärtig (Abb 3). In Deutschland wird es entsprechend als urslawisch gedeutet. Manchmal bringen westliche Gruppen das missverstandene Kolovrat als Signal der Verständigung mit dem osteuropäischen Living History auf ihren Schilden an. Durch diese gut gemeinte Geste wird das Symbolchaos perfekt.

Nach dieser einleitenden Duftmarke entfaltet sich eine wie gesagt dichte Story. Ich kann dabei nur über die publizierten ersten beiden Bände berichten, der Ausgang der Geschichte ist abzuwarten. Es geht um ein Hamstervolk, das Züge der Kiewer Rus trägt. Die Hamsterreligion ist slawisch-heidnisch, in feiner Dosis werden die Hamster mit Symbolen der modernen Ukraine ausgestattet. Ein heldenhaftes Grüppchen der possierlich gezeichneten Nager sucht ihren verloren gegangenen Fürsten, denn der Hamstergesellschaft fehlt die feudale Obhut. Sie stößt dabei auf ein von einer Wanderrattenorganisation beherrschtes Mäusevolk. Die Mäuse werden durch einen religiösen Schwindel zum Arbeiten und Gehorchen gebracht: In einem Kino erzeugen die „Rattenparasiten“ (wörtliches Zitat aus einer Sprechblase) die Illusion eines doppelköpfigen Gottes, der für den zur Ausbeutung notwendigen Überbau sorgt. Vage erinnert die Rattenreligion an das Christentum, die Priester sagen Amen, die janusköpfige Gottattrappe trägt einen Heiligenschein. Mal sehen, wie das weitergeht. Sollte sich dies weiter zuspitzen, wundert man sich, dass die Übersetzerin so etwas mitträgt. Denn nach ihren Selbstzeugnissen ist sie der Piusbruderschaft nicht ganz abhold. Pragmatischer Synkretismus ist typisch für die moderne extrem rechte Religiosität – egal ob christlich oder heidnisch, Hauptsache der Stoff ist reaktionär.

Die Tierarten in „Legenden aus Hamsterland“ haben eine ethnische Ordnung: Meerschweinchen sind Wikinger, Hamster sind Kiewer Rus. Das wirkt auf den ersten Blick klar strukturiert und somit kindgerecht. Näher betrachtet fällt allerdings auf, dass ein Hamster mit einem Meerschweinchen keine Kinder zeugen kann, geschweige denn mit einer Ratte. Aus der ethnischen Ansprache wird somit recht naiv und „unschuldig“ ein biologisches Manifest. Ganz zu schweigen davon, dass die Ratten antisemitische Stereotype aufweisen.

Abgeschlossen wird jeder Band mit einem Erklärteil zum Frühmittelalter auf dem Gebiet der Ukraine. Dort erfährt man Dinge, die in der Regel auch auf einem Wikingermarkt zum Besten gegeben werden. Es geht ausschließlich um Kleidungsaccessoires und deren vermeintliche Volkszugehörigkeit, nicht um gesellschaftliche oder wirtschaftliche Verhältnisse. Hier wird unter anderem der Ursprung des Nationalsymbols der Ukraine, des Trysubs, über eine krude Ähnlichkeit zu Stirnplatten von Spangenhelmen bis ins Frühmittelalter zurückdatiert. Einzelne Terminologien deuten darauf hin, dass sich die historische Beraterin des Comics direkt bei osteuropäischen Reenactmentgruppen informiert hat. Den Umweg über die Fachliteratur konnte sie sich dadurch sparen.

Die infantile Bildatmosphäre schützt vor Kritik von außen. Sie passt nicht zu Antisemitismus oder biologischem Nationalismus. Kindliche Unbedarftheit in frühmittelalterlicher Agrarromantik ruft überdies das Bild von herzensreinen, unverkopften, irgendwie natürlichen Charakteren auf. Das verbindet „Legenden aus Hamsterland“ mit anderen extrem rechten Frühgeschichtscomics, etwa Siggi und Babarras oder den Wikingerclips in Rechtsrock-Booklets der 1980er. Dazu später in diesem Blog.

 

Literatur:

Mika Pérez-Duarte/Vera Henßler/Anna Beckmann/Kilian Behrens/Patricia Zhubi, Rechte Comics. apabiz magazine 10, Dezember 2022.

Lucius Teidelbaum, Ganz und gar nicht komisch. Rechte Comics und Cartoons. Lotta 88, Herbst 2022, 39-42.

Herzlichen Dank an das apabiz Berlin und den Verein für Argumente & Kultur in Bielefeld für die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die beiden Comicbände!

Kommentare

Sehr schön und aufschlussreich erläutert. Man kann die Finger nicht oft genug in die Wunde legen.

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