Der paegniarius, ein Gladiator zur Belustigung des Publikums?

Über die Gladiatorengattung der paegniarii wissen wir nur wenig (Abb. 1). Beim römischen Schriftsteller Sueton (* um 70 n. Chr. + nach 122) findet sich die wahrscheinlich aussagekräftigste Stelle. Eingebettet ist die Schilderung in eine Beschreibung von Kämpfen in der Arena, bei der der verhasste Kaiser Caligula sich von seiner schlechten Seite zeigen konnte (Sueton, Caligula 26, Übersetzung angelehnt an Till): „Wenn der Kaiser (Caligula) ein Gladiatorenspiel gab, so ließ er mitunter beim heißesten Sonnenbrand die Sonnensegel zurückziehen, während niemand das Theater verlassen durfte. Oder er ließ […] halbverhungerte Bestien, erbärmliche, altersschwache Gladiatoren sowie bekannte, ehrenwerte Familienväter, die aber irgendein körperliches Gebrechen hatten, als paegniarii auftreten.“

Der Begriff paegniarius dürfte vom griechischen paignion, Scherz, abgeleitet sein. Aus der Anekdote bei Sueton wird erschlossen, dass die paegniarii zur heißesten Zeit am Mittag auftraten. Der schlechte Charakter des Kaisers zeigt sich unter anderem daran, dass er den Sonnenschutz des Zuschauerraums entfernen ließ, in der Mittagshitze war dies sicher sehr unangenehm. Gladiatoren galten nach römischer Rechtsauffassung als ehrlos. Der eigentliche Skandal und das Zeichen der Schlechtigkeit des Herrschers wäre es für die Zeitgenossen gewesen, wenn Caligula rechtschaffene Bürger ihre Ehre nahm, indem er sie zu diesem Zweck in die Arena schickte. Aus dem Scherz wurde dadurch ein bösartiger Scherz.

Aus anderen Schriftquellen wissen wir, dass am Vormittag Tierhetzen und am Nachmittag die eigentlichen Gladiatorenkämpfe stattfanden. In der Mittagspause dazwischen wurden Verurteilte hingerichtet. Nach der Schilderung bei Sueton gab es als Einschub im Programm zusätzlich noch einen Teil, den das antike Publikum als erheiternd empfinden sollte. Auch nach Seneca (Epistula morales 7, Übersetzung nach Forbiger) konnte das Publikum in der Mittagspause mit Formen harmloser Unterhaltung rechnen: „Zufällig geriet ich zur Mittagszeit ins Amphitheater, Scherze erwartend und witzige Einfälle und einige Erheiterung, wobei die Augen der Menschen vom Anblick des Menschenbluts ausruhen könnten […].“ Demzufolge geht die Forschung auch davon aus, dass die paegniarii keine blutigen Gefechte mit scharfen Waffen austrugen.

Geboten wird in diesem Programmabschnitt am Mittag also im besten Fall ein Kontrast zu den echten, blutigen Kämpfen bzw. den Hinrichtungen. Bei Sueton lassen sich mehrere Punkte festhalten, mit denen dies umgesetzt wird. Die Tiere sind nicht bei Kräften und die Gladiatoren in einem Alter, in dem sie nicht mehr kämpfen können. An paegniarii mit körperlichen Einschränkungen, die aufgrund körperlicher Einschränkungen in einem echten Gladiatorenkampf keine Chance gehabt hätten, mag das Publikum gewöhnt gewesen sein. Schließlich wurden noch bis ins 20. Jahrhundert ungewöhnlich aussehende Menschen auf Jahrmärkten zur Schau gestellt; erst nach einem relativ neuen gesellschaftlichen Konsens ist dies nicht mehr akzeptiert.

Ergänzend sei bemerkt, dass das Wort paegniarius in der handschriftlichen Überlieferung bei Sueton nicht ganz sicher lesbar ist. Alternativ wäre dort auch pegmares möglich, übersetzt nach dieser Lesung hätte Caligula die Familienväter auf einem Brett stehen lassen. Dies erscheint im literarisch-erzählenden Zusammenhang der Arenaszene am Mittag aber weniger passend als deren Verpflichtung, als paegniarii zur Unterhaltung beizutragen.

Zusätzlich zur Textstelle bei Sueton gibt es noch einige wenige Inschriften von paegniarii. Es hat diese Gladiatoren also wirklich gegeben. Eine Grabinschrift aus Rom (CIL VI, 10168) nennt einen paegniarius mit Namen Secundus, der im Alter von sage und schreibe 98 Jahren, 8 Monaten und 18 Tagen starb. Das hohe Lebensalter ist für sich bemerkenswert, auch wenn noch andere Hochbetagte aus römischer Zeit bekannt sind. Im Zusammenhang mit der Stelle bei Sueton fragt es sich, ob Secundus sogar noch als Greis für das Unterhaltungsprogramm in die Arena getreten ist. Ein echter Kampf wurde dem alten Mann dann sicher nicht mehr zugemutet.

Die griechische Grabinschrift eines weiteren Gladiators benennt diesen nicht ausdrücklich als paegniarius, wird aber so gedeutet (Übersetzung nach Merkelbach / Stauber): „Ich, der ich einst spielte und Allen Scherzworte zurief, […] der Makedone Philokynegos, […] ein unbesiegter Retiarier […].“ Der retiarius, der agile Netzkämpfer, ist eine der bekannten Gladiatorengattungen, der regelmäßig gegen einen langsameren Schwerbewaffneten (secutor) antritt. Die Inschrift ist in dieser Form singulär und es lässt sich nicht völlig ausschließen, dass hier eine individuelle Eigenart des Toten erwähnt wird. Zur Beschreibung der humoresken Einlagen bei Seneca passt die Inschrift jedoch sehr gut. Wenn die Interpretation des zu Heiterkeit reizenden Philokynegos zutrifft, muss der paegniarius keine eigene, speziell ausgestattete Gattung gewesen sein. Vielmehr können sich die paegniarii dann aus anderen, echten Arenakämpfern rekrutiert haben. Hier kommt konkret ein retiarius in Frage, der auch in ernsten Kämpfen antrat und dabei nach der Inschrift siegreich blieb.

Auch Bilddarstellungen mutmaßlicher paegniarii sind nicht häufig. Als Kandidat für eine Abbildung des Kampfes zweier paegniarii gilt ein Feld auf dem Gladiatorenmosaik von Nennig im Saarland (vgl. Abb. 1). Die beiden Akteure tragen keine Rüstung, sondern sind mit enganliegenden Hosen bekleidet. Der linke, blau gekleidete Kämpfer hat eine Peitsche in einer Hand, am anderen Unterarm ist ein schmaler Schutz befestigt, hinter dem (über dem Kopf) noch ein gebogener Knüppel erkennbar ist. Sein Oberteil wird mit einer Art Binde oder Gürtel im Bereich der unteren Rippen zusammengehalten. Sein Kontrahent kämpft offenbar mit bloßem Oberkörper. Er holt mit der Peitsche aus, am anderen Arm trägt er ebenfalls einen schmalen Schutzschild sowie ein Rüstungsteil an der Schulter. In dieser Hand hält er ebenfalls einen Knüppel.

Das Bildfeld mit diesen beiden Kombattanten ist nur ein Teil des Mosaiks (Abb. 2, dort rechts), der hier im Zusammenhang vorgestellt wird. Im Zentrum der Gruppe liegt ein größeres Feld mit Kampf zwischen einem retiarius (links) mit freiem Oberkörper, Lendenschurz, Schulterschutzschirm und Dreizack sowie dem gegnerischen secutor mit Helm und Schild. Darunter befindet sich die Darstellung eines Orgelspielers und eines Hornbläsers, wie sie in der Arena auftraten; links davon ein Tierkämpfer oder -wärter mit einem verwundeten Pantherweibchen. Die darüber liegende Szene ist einen genaueren Blick wert. Dort eilen zwei Tierkämpfer oder Wärter einem dritten zur Hilfe, der von einem Bären angefallen wurde. In dieser Szene sind vielleicht eher Wärter als eigentliche Tierkämpfer (venatores) gemeint, da deren tödliche Waffen, etwa Speere, hier fehlen.

Im Vergleich der Ausstattung dieser Wärter mit den beiden ‚Kämpfern mit Peitschen‘ zeigen sich starke Übereinstimmungen. Die drei mutmaßlichen Wärter (Abb. 3) tragen ebenfalls enganliegende Kleidung mit Hosen sowie das mit einer Art Gürtel gesicherte Oberteil. Erkennbar ist auch der am Unterarm befestigte schmale Schutzschild und die Peitsche. Es fehlt lediglich der Knüppel.

Nach der Ausrüstung ist der blau gekleidete Kämpfer mit der Peitsche also offenbar zunächst einmal ein Tierwärter, sein Gegner möglicherweise ebenfalls. Dies schließt eine unterhaltende Funktion als paegniarii nicht aus. Dem Zeitablauf der Spiele folgend würde es passen, diese im Zusammenhang mit Tierkämpfen oder unmittelbar danach auftreten zu lassen, wie es bei Sueton erwähnt ist. Man kann darüber spekulieren, ob die Wärter dabei zur Unterhaltung der Menge in einen inszenierten Streit ausbrechen konnten, vielleicht wie bei modernen Schaukämpfen oder auch bei Stunts im Film. Künstliche Streitereien von Dienern erheiterten übrigens auch antike Tischgesellschaften, wie etwa Petron in seinem Satiricon (Gastmahl des Trimalchio 70) überliefert. Slapstick als Genre, in dem Gewalt ins Komische gezogen werden kann, gehört heute natürlich ebenfalls zum Repertoire der Unterhaltungsbranche. Professionelle Darsteller unserer Tage wissen, wie sie in solchen Auseinandersetzungen Verletzungen minimieren. Der Teil des Mosaiks von Nennig wäre dann im Zusammenhang so zu lesen, dass um einen „Hauptkampf“ mit echten Gladiatoren in der Mitte ein Vor- und Begleitprogramm mit Tierkampf, Musik und eben dem gestellten Streit der Tierwärter als paegniarii gruppiert ist.

Suetons mutmaßlicher Hinweis, dass körperlich beeinträchtigten Männer als paegniarii auftreten mussten, haben zu einer weiteren Interpretation geführt. Nach antiken Schriftquellen hat es kleinwüchsige Arenakämpfer gegeben. Diese sind ebenfalls mit besagter Gladiatorengruppe in Verbindung gebracht worden. Auch mögliche Darstellungen sind bekannt. So befindet sich im Britischen Museum eine Bronzestatuette eines mit Helm, rundem Schild und Körperpanzer Bewaffneten (Abb. 4). Unter dem Schurz ist das Gemächt erkennbar, die verkürzten Beine und das Gesicht sind ungeschützt. In einem realen Gefecht wären diese ungesicherten Stellen natürlich höchst anfällig gewesen. Die Ausrüstung entspricht allerdings keiner üblichen Gladiatorenausstattung. Kämpfer mit einem runden Schild sind der hoplomachus, der unter anderem zwei hohe Beinschützer und einen Armschutz trägt und dessen Oberkörper unbekleidet bleibt; außerdem der eques, der mit einer Tunika und Gamaschen bekleidet und dessen Arm mit einem Armschutz versehen ist. Falls die Statuette des Kleinwüchsigen einen paegniarius darstellen soll, ließe sich das mit einer Anpassung der Ausrüstung an den „Unterhaltungswert“ erklären. Der Kämpfer hätte dann darauf zu achten, keine Treffer (mit einer stumpfen Waffe) an schmerzhafter Stelle zu erhalten. Eine solche für unsere Augen herabwürdigende Aufführung stünde im Kontrast zu den blutigen Kämpfen der anderen Gladiatoren, bei denen ein Lendenschurz bzw. Beinschützer Verletzungen des Unterkörpers vermeiden halfen und die sich daher stärker auf die Verteidigung ihres ungeschützten Oberkörpers konzentrieren konnten. Ein abschließender Beweis für die Deutung der Statuette als paegniarius ist dies aber nicht.

Das Bild des paegniarius bleibt somit unscharf. War er ein wortgewandter Unterhaltungskünstler in Waffen oder eine Art Stuntman, traten Greise auf, Kleinwüchsige oder Menschen mit anderen Beeinträchtigungen? War es überhaupt eine einheitliche Gladiatorengattung oder gab es unterschiedlich ausgestattete Kämpfer, die als paegniarii auftraten? Einige der hier vorgestellten Denkmäler illustrieren das Bild einer inhomogenen Gruppe, wie es uns Sueton in wenigen Worten zu skizzieren scheint. Bei den einzelnen Objekten bleiben jedoch immer wieder Unsicherheiten und alternative Deutungsmöglichkeiten, die zur Zurückhaltung bei der Definition dieser Gladiatoren einladen.

 

Quellenzitate

Seneca, Epistulae morales 7 nach A. Forbiger (Übers.), Ausgewählte Schriften des Philosophen Lucius Annäus Seneca (Stuttgart 1866).

Sueton, Caligula 26 nach R. Till (Übers.), Sueton, Caesarenleben (Stuttgart 1939).

 

Literaturauswahl

St. Brunet, Female and Dwarf Gladiators. Mouseion 4/2, 2004, 145-170.

J. Dechelette, Les gladiateurs pegniaires. Revue archéologique 1904/1, S. 308-316.

M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren (Mainz 2000), bes. S. 128.

Chr. Mann, „Um keinen Kranz, um das Leben kämpfen wir.“ Studien zur Alten Geschichte 14 (Berlin 2011) zusammenfassend bes. S. 251 f. zu Philokynegos; S. 105 Anm. 84 zum paegniarius Secundus.

R. Merkelbach / J. Stauber, Steinepigramme aus dem griechischen Osten: Die Südküste Kleinasiens, Syrien und Palästina (München / Leipzig 2002) S. 568 zum paegniarius Philokynegos.

 

Abbildungsnachweise

Abb. 1; 3 Wikipedia, Bildautor TimeTravelRome. Abb. 2 Wikipedia, Bildautorin Carole Raddato. Abb. 4 © The Trustees of the British Museum.

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