Das mittelalterliche Waldsterben – Holznutzung und -handwerk

Holz ist ein nachwachsender, fast überall zu Verfügung stehender, stabiler und leicht zu bearbeitender Rohstoff – und aus diesen Gründen eines der am meisten genutzten Pflanzenprodukte der Welt. Auch im Mittelalter wussten die Menschen seine Eigenschaften zu schätzen, sodass man von der Wurzel bis zur Krone einen ganzen Baum verwerten konnte. Da jede Holzart aber spezifische Eigenschaften besitzt, wurden bestimmte Arten je nach Verfügbarkeit und Verwendungszweck bevorzugt: Buchenholz ist beispielsweise ein guter Brennstoff und Lärchenholz eignet sich für geböttcherte Gefäße. Eibenholz besitzt eine federnde Stoßkraft, sodass es besonders bei Armbrüsten und Bogenwaffen eingesetzt wurde, und Kirschholz ist sehr fest und zäh, weshalb aus ihm z.B. Löffel oder Flöten hergestellt wurden.

Die mittelalterlichen Menschen holzten also nicht unbedingt wahllos Bäume ab, um irgendetwas daraus herzustellen. Trotzdem ist diese Zeit ausschlaggebend für den starken Rückgang der Waldflächen in Mitteleuropa und damit auch für unser heutiges Landschaftsbild. 

Der Rohstoff Holz spielte nach und nach eine immer wichtigere Rolle, da die Bevölkerung immer weiter wuchs, die Menschen ihre Siedlungen ausbauten, das Holzgewerbe aufblühte und es die wichtigste Heiz- und Energiequelle war. Infolgedessen wurden Wälder großflächig gerodet und vom Früh- bis ins Hochmittelalter verschwand innerhalb von ca. 250 Jahren mehr als 2/3 der gesamten Waldfläche Mitteleuropas.

Zunächst fand die Waldnutzung ungeregelt statt. Die Menschen merkten jedoch schnell, dass man Regeln braucht, damit jeder ausreichend Holz erhalten kann. Um der Übernutzung der Wälder entgegenzuwirken, wurden deswegen als erste Maßnahmen für Nachhaltigkeit ab dem Spätmittelalter Forstordnungen erlassen und Zuwiderhandlungen wurden hart bestraft. So richtete man beispielsweise spezielle Brennholzwälder ein, wo man Baumarten anpflanzte, die schnell wieder austreiben konnten, nachdem man sie geschlagen hatte. Außerdem durften teilweise nur bestimmte Waldflächen in bestimmten Jahren genutzt werden, sodass man zum Beispiel erst nach 20 Jahren wieder auf dieselbe Fläche zurückgreifen konnte. Weiterhin kümmerte man sich um die Böden und pflanzte auch neue Bäume an, da die stetig wachsende Nachfrage sonst nicht hätte befriedigt werden können. 

Während und nach der Pest erholte sich der Waldbestand wieder ein wenig, da die abnehmende Bevölkerungsdichte den Anteil an Waldflächen stark beeinflusste. Trotzdem war es aufgrund der starken Rodungen nicht mehr möglich den Großteil der Baumbestände wiederherzustellen, sodass die Auswirkungen auch noch heute sichtbar sind.

Das Material war zentral für die verschiedenen Holzhandwerke, genauso aber auch für das Bauwesen, bei Gefäßen, Waffen oder Musikinstrumenten. Daneben kamen sogar die Blätter, Rinden oder Harze zum Einsatz, die für die Herstellung von Futter-, Nahrungs- oder Heilmitteln verwendet wurden. Abgesehen davon schienen Bäume zu dieser Zeit aber auch eine symbolische Bedeutung gehabt zu haben: Noch heute findet man in einigen alten Dörfern die mittelalterliche Gerichtslinde, bei der das Dorfgericht oder Versammlungen abgehalten wurden.

Leider ist Holz ein vergängliches Material, welches nur durch bestimmte Umstände wie extreme Trockenheit oder Kälte und in gewissen Feuchtbodenmilieus lange Zeitabschnitte überdauern kann. Wegen der schlechten Erhaltungsbedingungen bekommen wir gerade in Bezug auf das Gewerbe vor allem durch schriftliche und bildliche Darstellungen, Zunftordnungen oder Statuen einen guten Einblick in das städtische Handwerk. Die ältesten Zeugnisse werden davon ins 11. Jahrhundert datiert, die meisten Quellen sind aber ab dem 13. Jahrhundert überliefert. Im Klosterplan von St. Gallen findet man so zum Beispiel eine Böttcherwerkstatt und eine Drechslerei wieder und schriftliche Quellen aus Ungarn zeigen, dass schon 1138 Drechslereierzeugnisse für den Markt angefertigt wurden. Im Gegensatz zu den schriftlichen Quellen gibt es vereinzelt aber auch Befunde von holzverarbeitenden Werkstätten, wie zum Beispiel in Lübeck oder bei dem Brandenburger Fürstensitz. Drechseln und das Böttchern sind insgesamt auch die wichtigsten Techniken der Holzbearbeitung im Mittelalter, wobei es noch eine Vielzahl anderer Handwerksberufe gibt, die Holz verwenden.

Die Drechsler stellten vor allem Gefäße wie Teller, Schalen oder Flaschen, aber auch Spielzeug oder einzelne Elemente von Möbeln her. Das Werkstück wurde dabei zunächst mit Hilfe der Fidelbogendrehbank bearbeitet und ab dem Hochmittelalter mit der effektiveren Wippdrehbank, die man per Fuß bedient, um das Holz mit den Händen zu formen. 

Die Böttcher fabrizierten neben kleinen Gefäßen vor allem große Fässer und Tonnen für Aufbewahrungs- und Transportzwecke, weswegen sich das Handwerk in enger Verbindung zur Weinkelterei und Bierbrauerei entwickelte. Um ein Behältnis herzustellen, wurden einzelne schmale Bretter, die sogenannte „Dauben", zusammengebunden und mit Reifen (z.B. aus Eisen oder Weidenruten) fixiert.

Aufgrund der steigenden Nachfrage von Holz im Mittelalter wurde außerdem der Beruf des Flößers immer wichtiger. Seine Aufgabe bestand vor allem darin, gefällte Bäume von ihren Ästen zu befreien, um sie über Bäche und Flüsse zu ihrem Bestimmungsort zu transportieren. Auf diese Weise wurden nachweislich auch Eichen vom Schwarzwald in verschiedene Regionen Südwestdeutschlands transportiert, da der Baumbestand dort mit der Zeit immer kleiner wurde. Die Berufe des Zimmermanns oder des Schreiners sind heute auch noch weit verbreitet.

Ein speziellerer Arbeitsbereich ist der des Bogners, der Bogen und Armbrüste zu Verteidigungszwecken herstellte. Nahezu ausgestorben ist dagegen die Tätigkeit des Wagners, der Holzschuhmachers, der Bildschnitzer, oder auch der Muldenhauer.

 

MayBritt Peters

 

Literaturauswahl:

B. Scholkmann, Das Mittelalter im Fokus der Archäologie. Archäologie in Deutschland: Sonderheft Plus 2009 (Stuttgart 2009).

U. Müller, Drechseln und Böttchern - Holz verarbeitende Handwerke. In: Archäologie und Mittelalterliches Handwerk. Eine Standortbestimmung. Beiträge des 10. Kolloquiums des Arbeitskreises zur archäologischen Erforschung des mittelalterlichen Handwerks (Soest 2008).

T. Mack, Der Wald im Mittelalter.

W. Freitag, Wald, Waldnutzung. In: Historisches Lexikon Bayerns.. 

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