Das Brot vom Ledrosee – Steinzeitbrot vs. Steinbrot
Das Brot vom Ledrosee – Steinzeitbrot vs. Steinbrot
Die wissenschaftlichen Zugänge der experimentellen Archäologie sowie fachlich versierte Diskussionen regen zu lebenslangem Lernen und zur Inspiration in Bezug auf die Arbeit am prähistorischen Menschenbild an. Und so entstehen aus privaten „Schnappschüssen“ mitunter Fragestellungen und Ideen, die sich andernorts sowohl auf die museale Darstellung als auch auf die museumspädagogische Vermittlung auswirken können.
Steinzeitbrot vs. Steinbrot – das klingt verwirrend. Und ist nicht beides identisch? Nein, die Rede ist von einem bronzezeitlichen Fund vom Ledrosee in Norditalien. Die Überreste eines auf einem Stein gebackenen Brotes (wenn hier die Rede von Brot ist, so ist damit nicht das übliche gegorene Brot gemeint, sondern die einfachen Fladen aus Mehl und Wasser bzw. Milch) aus der Bronzezeit, einer Epoche, die sich unmittelbar an das Neolithikum anknüpft und in die Zeit von ca. 2400 bis 800 v. Chr. datiert wird. Diese Überreste werfen ein spannendes Licht auf die Kochkünste der Bronzezeitmenschen. Bislang galt im Archäologischen Museum Oerlinghausen die Annahme, der Bronzezeitmensch hätte die Fladen, wenn nicht im Tonofen, so auf der Feuerglut gebacken. Diese Backmethode hat sich seit Langem auch in der museumspädagogischen Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen etabliert und wird als eine überaus beliebte Aktion immerzu angefragt. Nun sorgt ein Exponat aus dem Pfahlbaumuseum am Ledrosee für neue Ideen und Vorstellungen, die uns zur experimentellen Archäologie führen.
Die Ansiedlung am Ledrosee hat eine sehr lange Geschichte und reicht zurück bis in die Ur- und Frühgeschichte. Viele Funde aus der Bronzezeit und sonstige archäologische Ausgrabungen belegen dort eine Siedlung aus Pfahlbauten während der Bronzezeit. Eben aus dieser Epoche stammt das Brot vom Ledrosee. In neolithischen Kulturen früher Ufersiedlungen wurden kleine Brote entdeckt, die offensichtlich in Backöfen gebacken worden waren. Um Fladenbrote herzustellen, gossen die Menschen Getreidebrei auf eine heiße Herdfläche oder über Kiesel. Sowohl hier als auch in Norditalien werden bei den unterschiedlichen Ausgrabungen immer mehr Hinterlassenschaften gefunden, die uns gute Einblicke ins Alltagsleben und somit in die Ernährungsweise der damaligen Menschen geben. Aber dennoch nicht gut genug, als dass wir auf die experimentelle Archäologie verzichten könnten.
Wie die meisten Archäologen und Historiker treibt deshalb auch uns der Gedanke nach dem Ungleichzeitigen zur gleichen Zeit und nach der Art und Weise wie der Mensch seinen Alltag bewerkstelligte. Hierbei ist das Fremde sogar zweierlei zu verstehen: einerseits liegt uns ein Fund aus einer anderen europäischen Region vor, andererseits wollen wir die Lebensweise der bronzezeitlichen Menschen, die dem modernen Menschen bereits sehr fremd erscheint, nachvollziehen und begreifen. Denn eine der wichtigen und notwendigen Erkenntnisse ist das Fremde zu erfahren und begreifbar zu machen. Deshalb kamen, wie selbstverständlich, Fragen auf, warum die Menschen Steine benutzten, um darauf den Teig aufzusetzen, wenn sie bereits Steinplatten und Öfen kannten? Haben sie diese Steine tatsächlich benutzt, um zu backen oder doch lediglich für die Präsentation als Teil der Esskultur? Und wenn sie die Steine als kleine Backsteine gebrauchten: geschah dies auf der offenen Feuerglut oder in einem Ofen und musste die Steinstruktur eine besondere Zusammensetzung aufweisen?
Die Voraussetzung über die Kenntnisse von unterschiedlichen Backmöglichkeiten offenbart sich durch die Entwicklung selbst, ohne dabei in evolutionäre Fortschrittsgedanken zu verfallen gilt für die Bronzezeit einige gewisse Veränderungen in der Entwicklung von neuen Hauslandschaften, Haustierlandschaften und Kulturlandschaften, die bis weit in jüngere Zeiten, teilweise bis in das Mittelalter hinein, Bestand hatten. Darüber hinaus verdanken wir dem Bronzeguss, dass sich die europäische Bronzezeit als Zeitalter der Kommunikation, des Handels, des Tausches, des Technologietransfers erweist und eine überregionale Offenheit vermittelt, die sich in einigen Zeitepochen, wie z.B. im 9. Und 8. Jahrhundert v. Chr. verdichtet.
Man kann deshalb davon ausgehen, dass das Brot von Ledrosee kein Einzelfall war, sondern womöglich zu Backmethoden europäischer Bronzezeitmenschen außerhalb von Norditalien gehörte. Wir wollten es genau wissen: Technologisch bedeutet Backen, dass ein Teig durch Erwärmen von allen Seiten aufgrund der Gerinnung, des fest Werdens des Eiweißklebers eine feste Form erhält. Die einfachste Art Brote zu backen besteht darin, sie in oder auf die Glut eines offenen Feuers zu legen. Flache Fladen können auf der Glut gegart bzw. geröstet werden. Die Fladen sollten warm gegessen werden, da sie in kaltem Zustand steinhart, zäh und schlecht verdaulich sind. Ebenfalls nachgewiesen ist die Verwendung von heißen Steinen, über die der Teig als Brei gegossen wurde. Die Brote formen sich dabei um den Stein. Auch Backteller aus Ton sind bekannt. Der Fund vom Ledrosee zeigt allerdings sehr genau, dass es sich in diesem Fall nicht um einen Brei handelt, der auf dem Stein zum Fladen getrocknet war, sondern und einen fest geformten Teig.
Christian Schürmann, technischer Leiter des AFM Oerlinghausen, startete das Vorexperiment, d.h. wissenschaftlich noch nicht vorzeigefähig, aber dennoch ein Versuch. Nachdem die Weizenkörner auf Schiebemühlen zu Schrot und Mehl zermahlen wurden und kleine Teige daraus geformt werden konnten, wurde das Feuer auf der Feuerstelle entfacht und mittelgroße Steine, die normalerweise für den Mahlvorgang gebraucht werden, um die Feuerstelle gelegt, damit sie sich von der Hitze erwärmen sollten. Da Unsicherheit über die Beschaffenheit der Steine herrschte, wurde der Versuch, die Steine in das direkte Feuer zu legen, gemieden. In diesem Fall hätte sich der Erwärmvorgang sicherlich als durchaus effektiv erwiesen, aber die Gefahr des Platzens war doch zu groß. Deshalb benötigten die Steine eine gewisse Zeit, um als Backsteine eingesetzt werden zu können.
Nun kamen die kleinen Fladen in verschiedenen Ausführungen (flach, gewölbt, den Stein umschlungen usw.) sowohl auf die heißen Steine als auch auf die Glut, um den Gar- und Geschmacksvergleich herzustellen.
Fladen, die den Backvorgang auf der Glut genossen, hatten eine wesentlich kürzere Backzeit als die sogenannten Steinfladen. Je nach dem in welcher Form die Fladen auf den Steinen platziert wurden, war man eventuell der Wendemöglichkeit beraubt. Fladen, die man nicht wenden konnte, waren von unten sehr kross. Die obere Seite blieb teilweise weich und nicht knusprig. Insgesamt wiesen die Steinbrote eine viel härtere Konsistenz als die Fladen aus der Glut. Allerdings waren alle Fladen nach einer gewissen Backzeit durchgebacken.
Über den Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Deshalb bleibt der Geschmacksvergleich zwischen Steinzeitbrot in der offenen Glut und Steinbrot auf Grund unterschiedlicher Meinung offen.
Damit sind leider nur wenige Fragen beantwortet, die wir uns anfänglich gestellt haben. Als sicher gilt, dass die Fladen vom Stein mit viel Geduld und heißen Steinen durchaus eine Konkurrenz zu den Steinzeitbroten und dennoch eine einfache und günstige Möglichkeit für die Herstellung von Brot boten. Ob solche Brote eine längere Konservierungszeit aufwiesen, weil sie durch den längeren Backvorgang an Feuchtigkeit verloren (aus dem Neolithikum sind getrocknete Haubenfladen auf erhitzen Steinen bekannt) oder ob sich der Backvorgang bei heißeren Steinen aus direktem Feuer beschleunigen würde, und welchen museumspädagogischen Wert solche Erkenntnisse haben, bleibt zu klären.
Fortsetzung folgt…
Literatur
Eiselen, Hermann (Hrsg.): Brotkultur, Ulm-Köln: 1995.
Freeden, Uta von: Spuren der Jahrtausende. Archäologie und Geschichte in Deutschland, Stuttgart: 2003³.
Henning, Friedrich-Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Agrargeschichte. Vor- und Frühgeschichte mit 80 Abbildungen und Karten, in: Deutsche Agrargeschichte, Stuttgart 1997.
Probst, Ernst: Deutschland in der Bronzezeit. Bauern, Bronzegießer und Burgherren zwischen Nordsee und Alpen, München: 1999.
Ruoff, Ulrich: Leben im Pfahlbau. Bauern der Stein- und Bronzezeit am Seeufer, Aarau: 1991.
Striewe, Karin, Clemens Sels Museum Neuss (Hrsg.): Bronzestreif am Horizont. 1000 Jahre vor Kelten, Römern und Germanen, Neuss: 2007.
Larisa Strese-Gassiev
Kommentare
Vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis! Ich werde es mir sogleich anschauen...
Habe das auf der Zeiteninsel.de auch gerade getestet und angelehnt an den nordafrikanischen Injerafladenbrotteig gute Ergebnisse erzielt, die auch je nach Backzeit eine angenehme Konsistenz hatten, die durchaus 2 Tage annähernd gleich blieb. Ein oder zwei Fladen für einen Jagdausflug als Proviant sind also durchaus denkbar. Das Rezept haben wir auf Palafit.com gepostet.